Rassismus/Antisemitismus


 

Der im Laufe des 19. Jahrhunderts von Autoren wie Arthur Comte de Gobineau, Richard Wagner, Paul de Lagarde, Julius Langbehn und Houston Stewart Chamberlain - neben vielen anderen - als pseudowissenschaftliches Gedankengebäude entwickelte Rassismus war die Grundlage für den parallel dazu formulierten rassistischen Antisemitismus. Rassismus und Judenfeindlichkeit hatte es natürlich auch vor dem 19. Jahrhundert gegeben. Dieses Jahrhundert "bereicherte" deren Thesen aber um einen pseudowissenschaftlichen Unterbau, der nicht zuletzt auch auf der Verdrehung von darwinistischen und genetischen Erkenntnissen beruhte.

Gobineau (1816 - 1882) betonte in seinem 1853 bis 1855 erschienen Hauptwerk "Essai sur l'inégalité des races humaines" die Höherwertigkeit der "weissen Rasse" gegenüber allen anderen "Rassen". Rassenmischungen würden jedoch die Qualität der weissen Rasse mindern und sind deshalb abzulehnen. Richard Wagner (1813 - 1883) und sein "Bayreuther Kreis" sorgte für eine deutsche Übersetzung des Gobineau'schen Buches und die Verbreitung seiner Ideen in den deutschsprachigen Ländern. Wagner ergänzte die Theorie aber um zwei wichtige Aspekte: Zum einen postulierte er den Gegensatz der "germanisch-arischen Rasse" und der "deklassierten jüdischen Rasse".  Zum anderen schlug er als "Erlösung" der arischen Germanen  wie auch der jüdischen Gegenrasse den Untergang letzterer vor. Als Symbol für den ewig umherwandernden Juden Ahasver lässt er die Figur der Kundry im Parsifal auftreten, die nach der Taufe durch Parsifal stirbt.

Der Orientalistikprofessor Paul de Lagarde (ursprünglicher Name: Paul Bötticher, 1827 - 1891) propagierte die Erlösung durch ein "germanisches Christentum", der Journalist Julius Langbehn ("Rembrandt als Erzieher", 1851 - 1907) durch eine "germanische Kunst".

Die im Laufe des 19. Jahrhunderts erfolgte Definition der Juden als schädliche Gegenrasse zum heeren Germanentum kennzeichnete den Übergang vom traditionellen, christlich beeinflussten Antijudaismus zum rassistischen Antisemitismus. Ab diesem Zeitpunkt konnte die Juden auch eine Konversion zum Christentum nicht mehr vor Ausgrenzung schützen.

Am Ende des 19. Jahrhunderts setzte der "Übergermane" Houston Stewart Chamberlain (1855 - 1927) mit der Veröffentlichung seines Hauptwerkes "Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts" den rassenideologisch-antisemitischen Schlusspunkt. Chamberlain, geboren in einer englischen Offiziersfamilie, aufgewachsen in Frankreich, Biologiestudium in der Schweiz, fühlte sich vom Deutschtum magisch angezogen und wohnte seit 1885 im deutschsprachigen Raum (Dresden, Wien, Bayreuth). Ideologisch stark von Wagner beeinflusst, wurde er nach dessen Tod 1883 nach und nach zum Chefpropagandisten des "Bayreuther Kreises" und dessen rassistisch-antisemitischen Thesen. Sein Buch verdichtete unter dem Deckmantel einer "Kulturgeschichte" die vielfachen Strömungen des rassistischen Antisemitismus des 19. Jahrhunderts wie in einem Brennglas und fand enorme Resonanz im deutschsprachigen Bildungsbürgertum bis hinauf zu Kaiser Wilhelm II. 1923, kurz vor Hitlers gescheitertem Münchner Putsch, besuchte der Parteiführer den bereits schwer kranken Chamberlain in Bayreuth und hinterließ auf diesen einen nachhaltig positiven Eindruck. Voller Begeisterung diktierte Chamberlain danach einen Brief an den "Sehr geehrten und lieben Herrn Hitler", in dem er diesen als Hoffnungsträger des Deutschtums beschrieb. Hitler veröffentlichte den Brief des damals in Deutschland und auch im Ausland weithin bekannten Schriftstellers und meldete damit gleichzeitig seine Ansprüche auf die ideologische Nachfolge des Wagner/Chamberlain'schen Gedankengutes an: Nationalistisch-germanischer Rassismus und Antisemitismus. 

 

Näheres zu diesen Zusammenhängen in folgender Dissertation:

http://opus4.kobv.de/opus4-fau/frontdoor/index/index/docId/1971      

Vorläufer der "Grundlagen" .....: S. 25ff.
Einfluss der Wagner/Chamberlain Ideologie auf Hitler ..... S. 253ff.


 

 

Die weitere Konsequenz der zunächst nur theoretischen Rassenideologie des 19. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum stellte die Politik Hitlers und der Nationalsozialisten dar. Die Juden wurden zuerst verleumdet ("Der Stürmer") und ausgegrenzt ("Nürnberger Gesetze"), dann ausgeplündert und ausgewiesen und schließlich vernichtet (Holocaust). Die "slawischen Minderrassen" sollten teils liquidiert (die Intelligenz in Polen), teils versklavt werden, um der "Herrenrasse" die notwendige Entfaltungsmöglichkeit zu bieten. Historiker bezeichnen daher den großdeutschen Russlandfeldzug ab 1941 als einen "rassenideologischen Vernichtungskrieg".